In der Coronakrise steigt die Nachfrage nach Videosprechstunden. Eine Bitkom-Umfrage zeigt: Viele Nutzer haben sich an die Technologie gewöhnt.
Berlin. Videosprechstunden haben in der Coronakrise einen kräftigen Schub erlebt – und könnten sich auch darüber hinaus im Gesundheitswesen etablieren. Hatten im Frühjahr 2020 noch acht Prozent der Deutschen ein telemedizinisches Angebot genutzt, waren es im Juli bereits 13 Prozent.
Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des IT-Branchenverbands Bitkom für die Studie „Digital Health 2020“, die am Donnerstag vorgestellt wird und dem Handelsblatt in Auszügen vorliegt. 45 Prozent haben zwar noch nicht ein solches Angebot in Anspruch genommen, können sich dies aber für die Zukunft vorstellen.
An der Umfrage nahmen Anfang Juli 1005 Personen in Deutschland ab 16 Jahren teil. Die Videosprechstunde erlebten dabei 87 Prozent der Nutzer als gut oder sehr gut. Ähnlich viele sagen, das Angebot sollte ausgebaut werden. Und fast jeder Zweite will künftig die Videosprechstunde einem persönlichen Arztbesuch vorziehen.
Für die meisten Nutzer war dabei die Coronakrise der Grund, ein telemedizinisches Angebot in Anspruch zu nehmen. 85 Prozent sorgen sich vor einer Infektion mit Covid-19 in der Arztpraxis. 41 Prozent haben Angst, sich im Wartezimmer mit einer anderen Krankheit anzustecken. Mehr als jeder Zweite gibt als Grund an, möglichst schnell einen ärztlichen Rat erhalten zu wollen, weitere genannte Gründe sind die Vermeidung von Wartezeit, Bequemlichkeit und bei jedem Vierten: Neugier.
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hatten sich im März darauf verständigt, dass Ärzte und Psychotherapeuten unbegrenzt Videosprechstunden über das Internet anbieten können. Mittlerweile bieten rund 25.000 Praxen Videosprechstunden an.
Normalerweise dürfen Psychotherapeuten und Ärzte pro Quartal maximal jeden fünften Patienten ausschließlich per Video behandeln. Derzeit ist die Begrenzung noch bis zum 30. September aufgehoben. Aufgrund der großen Nachfrage fordern Digitalverbände, diese Sonderregel aufrechtzuerhalten. „Die Bundesregierung darf das Rad nicht zurückdrehen, sie muss die jetzt geschaffenen Möglichkeiten zum neuen Normalen machen“, sagte der Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder.
„Rückkehr zum Vorkrisenmodus wäre echter Rückschritt“
Die Grenzziehung sei „irrational, und es erschließt sich weder Medizinern noch Patienten, weshalb sie bald wieder gelten soll“. Während der Coronakrise habe sich gezeigt, wie leicht sich bürokratische Vorgaben abbauen lassen. „Eine Rückkehr zum Vorkrisenmodus wäre ein echter Rückschritt“, sagte Rohleder. „Wir appellieren an den Bundesgesundheitsminister, die Digitalisierung in der Gesundheitsversorgung auch gegen Widerstände weiter voranzutreiben und dafür zu sorgen, dass digitale Angebote in aller Breite verfügbar werden.“
Entscheiden müssen das allerdings die gesetzlichen Krankenkassen und die KBV. Diese teilte auf Anfrage mit: „Ob die Regelungen noch weiter verlängert werden, kann man heute noch nicht sagen. Dazu werden noch Gespräche mit dem GKV-Spitzenverband geführt werden.“