Berlin – Video-Sprechstunden zwischen Arzt und Patient bieten zeitliche und räumliche Flexibilität und sparen Zeit und Wege. Insbesondere wenn ein Patient bereits bekannt ist, können Verlaufskontrollen und Routinefälle in der Kommunikation zwischen Arzt und Patient zeitsparend online durchgeführt werden. Auch Hausbesuche können bei geeigneten Fällen deutlich reduziert werden.
Hier dient die Videosprechstunde als Erweiterung bestehender Versorgungsangebote und kann insbesondere in unterversorgten, ländlichen Räumen helfen, die fachärztliche Versorgung zu verbessern.
Aber auch für den Erstkontakt zwischen Arzt und Patient, der ja durchaus beratenden Charakter haben kann, ist die Videosprechstunde sinnvoll einsetzbar. Hier spielt vor allem die räumliche Distanz zum Experten eine entscheidende Rolle. Bevor ein Patient die Mühen einer weiten Anreise auf sich nimmt, kann so geklärt werden, ob ein solcher Besuch überhaupt Sinn macht.
Schließlich kann die Videosprechstunde die Kommunikation zwischen Fachärzten, Hausärzten und anderen Heilberufen sowie die sektorübergreifende Zusammenarbeit erleichtern und stärken.
Als Digitalisierungsprojekt zur Optimierung von Prozessen und Kommunikation wird die Videosprechstunde bereits heute von ca. 50% der Patienten gewünscht. Pilotprojekte wie DocDirect in Baden-Württemberg oder MedGate in der Schweiz zeigen, wie sinnvoll Videosprechstunden bereits heute eingesetzt werden können. Auch über 70% der Ärzte halten Videosprechstunden für sinnvoll, konkrete Erfahrungen haben jedoch erst wenige gemacht.
Rahmen und Vergütung
Der Wegfall des Fernbehandlungsverbots war eines der Top-Themen des Deutschen Ärztetages 2018. Die Videosprechstunde ist hierfür der klassische Anwendungsfall. Technisch dürfen dabei alle von der KBV zertifizierten Videodienstanbieter zum Einsatz kommen.
Auch wenn in vielen Bundesländern der Beschluss des Ärztetages bereits ratifiziert wurde, wird die Videosprechstunde nur sehr zögerlich in den Alltag aufgenommen. Dazu dürfte auch die karge Honorierung dieser Leistung im EBM beitragen. Damit sind die Investitionskosten nicht zu decken. Ob sich die Selbstverwaltung durch die neue Gesetzesinitiative des Gesundheitsministers umstimmen läßt und „eine Regelung im EBM trifft, nach der Videosprechstunden in weitem Umfang möglich macht“, bleibt abzuwarten.
Der bessere und schnellere Weg, Innovationen in die Versorgung einzuführen, wird wohl auch hier über Selektivverträge und extrabudgetäre Anreize laufen.
Optimierung der Rahmenbedingungen
Nach Zulassung der ersten Videosprechstunden durch die KBV zeigen sich im Versorgungsalltag einige Unzulänglichkeiten der durch die KBV gesetzten Rahmenbedingungen und technischen Anforderungen. Diese erschweren die breite Einführung der Videosprechstunde.
Unter der Überschrift „Warum kann man in Deutschland nicht online zum Arzt gehen?“ haben die bisher zertifizierten Videodienstanbieter im März 2019 in einem gemeinsamen Statement ihre Forderungen an die Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen formuliert:
- Patienteneinwilligung muss digital erfolgen dürfen
- Primär muss die Verbindung Peer-to-Peer aufgebaut werden, unter gewissen Bedingungen sollte auch die alternative Nutzung eines Turn-Servers mit Standort in EU zulässig sein (z.B. bei Mehrfachkonferenzen oder Hemmnis durch Firewalls oder NAT)
- Einheitlicher Nachweis der Zertifizierung gegenüber den KVen
- Keine Zertifizierung der Videosprechstunde als Medizinprodukt
- Gleichstellung von analogem und digitalem Arzt-Patienten-Kontakt: auch die Konsultation per Videosprechstunde löst die Behandlungspauschale aus. Das medizinische Fachpersonal muss die Entscheidungshoheit diesbezüglich behalten.
Anwendung in Orthopädie und Unfallchirurgie
„Ärzte sind in ihrer Mehrheit keine Technik-Verweigerer, aber viele brauchen einen Anstoß, um sich auf eine neue Technik einzulassen und dann auch ihre Vorteile für sich zu nutzen.“ Mit dieser Erkenntnis liegt der DAK-Digitalisierungsreport 2018 sicher richtig. Es braucht konkrete Initiativen und finanzielle Förderung, um Innovationen in der Breite in den Versorgungsalltag einzuführen.
In Orthopädie und Unfallchirurgie läßt sich die Videosprechstunden in vier Szenarien sinnvoll einsetzen:
- Virtueller Behandlungsraum
– teilweiser Ersatz von Hausbesuchen, Folgeterminen und Nachuntersuchungen - Besondere Versorgung
– Zwischenuntersuchung und interprofessionelle Kommunikation - Expertenberatung
– allgemeine Beratung zu Erkrankungen des Bewegungsapparates - Telekonsil
– interdisziplinäre und sektorübergreifende Arzt-Arzt-Kommunikation
Eine rasche Akzeptanz wird sich bei Fachärzten für O&U nur einstellen, wenn sich durch klare Vorteile für den täglichen Ablauf und finanzielle Anreize ein Vorteil ergibt.
Beispiel: Besondere Versorgung über Selektivvertrag
Im Selektivvertrag zur speziellen konservativen Therapie bei Gon- und Coxarthrose von SPRON und BVOU steht eine individualisierte Physiotherapie im Mittelpunkt des Behandlungskonzeptes. Abstimmungen zwischen Arzt und Physiotherapeut sowie die Zwischenuntersuchungen des Patienten können per Videosprechstunde durchgeführt werden.
Die Patienten nehmen diese in ihrer Anwesenheit durchgeführte Abstimmung zwischen Arzt und Physiotherapeuten als besonders positiv wahr. Gleichzeitig wird die interprofessionelle Kooperation im Gesundheitsnetzwerk gestärkt, Kommunikationswege verkürzt und Entscheidungen beschleunigt.
Die Vergütung ist identisch zu der einer persönlichen Kontaktaufnahme und Untersuchung und wird mit 50 € vergütet. Damit sind bereits nach einem behandelten Patienten die monatlichen Kosten für das Videosprechstunde-System abgegolten.
Beispiel: Integration in Orthinform
Die Videosprechstunden ist leicht in die eigene Webseite und in das Arztprofil bei Orthinform zu integrieren. Bei Orthinform erfolgt dieser Integrationsprozeß vollautomatisch mit wenigen Klicks. Im Dashboard kann jeder Orthinform-Nutzer die Videosprechstunde ebenso wie die Online-Terminvergabe als Ergänzung zum persönlichen Profil hinzubuchen. Das Orthinform-Profil weist dann zusätzlich einen Videosprechstunde-Button aus, über den der Patient direkt einen Termin buchen kann.
Vorteilhaft ist dies insbesondere dann, wenn der Patient über die Orthinform-Deutschlandkarten zu Selektivverträgen, Expertensprechstunden und besonderen Leistungen auf die teilnehmenden Kollegen aufmerksam wird und dann direkt einen Videosprechstunde-Termin über Orthinform buchen kann.
Auch wenn der Patient bereits bekannt ist und vom Facharzt per SMS einen Zugangscode erhalten hat, kann er über Orthinform einen Termin buchen.
Ein besonderes Angebot in diesem Zusammenhang wird die Expertensprechstunde sein, die BVOU und SPRON gemeinsam auf dem VSOU in Baden-Baden Anfang Mai 2019 vorstellen. Hier können sich Patienten auf Orthinform über Erkrankungen des Bewegungsapparates und moderne Behandlungsmethoden informieren und bundesweit nach Experten suchen. Bei teilnehmenden Experten kann dann ein Beratungstermin über Videosprechstunde gebucht werden.
Beispiel zur Integration der Videosprechstunde in Orthinform, dem Patientenportal des BVOU. Nach Klick auf den Button „sprechstunde.online“ kann der Anwender eines der Angebote wählen. Im Folgeschritt wird dann ein passender Termin fest gebucht.
Hier PDF-Datei „Videosprechstunde“ runterladen
Dieser Artikel wurde von Dr. med. Jörg Ansorg (Geschäftsführer BVOU e.V.) verfasst und ist im Original hier zu lesen.
Zugriff am 25.04.2019 um 7:23 Uhr unter https://www.bvou.net/videosprechstunde-in-o-u-kann-man-oder-muss-man/