Hallo, mein Name ist Sabrina Meinen. Ich bin selbst gelernte Ergotherapeutin und möchte Sie gern an unseren Erfahrungen mit der Online-Therapie teilhaben lassen!
Mein Sohn Ole kam 10 Wochen zu früh auf die Welt. Die schnelle medizinische Versorgung auf der Neonatologie sorgte dafür, dass sein Leben nie wirklich in Gefahr war. Sein früher Lebensstart hinterließ dennoch Spuren, denen wir mit Hilfe verschiedener Therapien begegnen.
Vor dem Lock-Down wurden neben seiner Mundmotorik auch die Kaumuskeln gestärkt. Dafür hatten wir verschiedene Fingersnacks ausgesucht und sie zur nächsten Logopädieeinheit mitgebracht. Wir bemühten uns um Abwechslung, suchten nach Lebensmitteln/ Snacks, die wirklich gekaut werden müssen, statt sie so lange von einer Wange in die andere zu schieben, bis sie sich von selbst auflösen und geschluckt werden können. Toastbrot schied demnach definitiv aus, stattdessen gab es Gurke, getrocknetes Obst, das eine oder andere Gummibärchen. Als sich Corona breit machte und wir die Logopädie übers Internet starteten, klappte bereits das Beißen in den Apfel mit anschließendem Kauen.
Das zuvor gewohnte Verhalten (in den Apfel beißen, den Apfelbissen mit der Zunge hin und her schieben und wieder ausspucken) war nahezu verschwunden. Ohne weitere Therapie drohte uns die Gefahr, den erreichten Therapiefortschritt zu verlieren.
Zur ersten Video-Logo-Einheit hatte ich verschiedene Dinge vorbereitet: Äpfel- und Birnenschnitze, Gemüsechips, Laugensticks, Dinkelbällchen, Pizzastangen und Kokoskekse. Wunderbar für die Feinmotorik – freut sich die Ergotherapeutin – und interessant für den kleinen Gourmet.
Sobald mein Sohn auf seinem Trip Trap saß, gab es zunächst die übliche Begrüßung zum Start der Logo-Einheit. Für ihn zu langweilig, schnappte er sich sein Kaumuskelfitnessprogramm vom Kinderteller. Sofort erhielt er die Aufmerksamkeit seiner Logopädin, die er für mich überraschend gleich wahrnahm und nutzte, um ihr sein Essen anzubieten.
Mit seinen damals fast zwei Lebensjahren zeigte er sich sehr spendabel und bot ihr einen Rote-Beete-Chip an.
Oles Logopädin reagierte sofort und spielte mit. Sie nahm den virtuellen Gemüsechip, legte ihn in ihren Mund, biss sichtbar genüsslich auf das unsichtbare Lebensmittel. Das Ganze wurde kindlich skeptisch beäugt, während ich froh war, dass mein Gesicht im Rücken meines Kindes war, denn ich musste ein herzhaftes Lachen unterdrücken.
Nach kurzer Zeit sah mein Sohn auf seine Hand, entdeckte milde überrascht, dass der Chip immer noch darin steckte und schob ihn sich selbst in den Mund.
Der Rote-Beete-Chip blieb nicht das einzige Angebot. Oles Logopädin durfte etliches mehr probieren.
Obwohl sich mein Magen als einziger Therapieteilnehmer nicht füllte (ich erhielt leider kein Angebot), empfand ich eine große Zufriedenheit. Mein Sohn ließ sich auf den Laptop ein. Für ihn spielte es keine Rolle, ob seine Therapeutin im Raum war oder nicht.
Weil nicht nur Ole, sondern auch die Technik perfekt mitmachte, entschieden wir uns dazu, die kommenden Therapiesitzungen online durchzuführen.
Vertrauen in die Videotherapeutin
Durch meinen Mann merkte ich, wie wichtig Vertrauen bei Videotherapien ist. Alles was für mich bezüglich der Videotherapie als selbstverständlich galt, war bei ihm keineswegs genauso.
Für Ole hatte ich eine Logopädin gewählt, mit der ich bereits zusammenarbeiten konnte. Sie, ihre Kolleginnen sowie ihre Chefin kannte ich bereits durch meine Arbeitsstelle vor Oles Geburt. Mein damaliger Chef hatte Kooperationen mit der Stroke-Unit und einer geriatrischen Reha, auf denen ich, neben den üblichen Hausbesuchs- und Praxispatienten, zusätzlich behandelte.
Meine Vertrauensbasis baute nicht nur auf vertrauensvolle gemeinsame Zusammenarbeit auf, sondern wurde auch durch den Umstand, dass sie einst auf einer Neonatologie behandelt hat, untermauert. Wir mussten uns also nicht erst umständlich kennen lernen. Dass weder Ole noch mein Mann die Therapeutin kannten, konnte schnell durch meine Zwanglosigkeit, mit der ich in die Therapie ging, entschärft werden.
Als wir den Therapieraum gegen den PC tauschten, stellte sich für mich kein Kontaktproblem dar. Zumal ich mir die Videobehandlung stark gewünscht hatte, um den Therapiefortschritt im Lock-Down nicht zu verlieren und auch um einen Rest an Normalität aufrechtzuerhalten.
Für mich stand also fest, dass alles wie sonst sein würde. Ole nahm dies ebenso an.
Meinem Mann erging es etwas anders. Die ersten Therapieeinheiten konnte er arbeitsbedingt nicht dabei sein. Als sich sein Arbeitspensum reduzierte, hoffte ich auf seine Teilnahme. Zunächst blieb er zurückhaltend. Dass er im Grunde dabei gefilmt wurde, fand er komisch. Auch wenn es keine Aufzeichnungen geben würde, musste er sich vor eine Kamera setzen und würde sich selbst in einem kleinen Fenster auf dem Laptop sehen. Seine Begeisterung hielt sich in Grenzen. Wenn ich ehrlich bin, vergaß ich damals, dass diese Dinge nicht für jeden selbstverständlich sind. Der eine oder andere muss sich erst mit dem Gedanken, per Video zu reden, anfreunden. Nicht jeder ist derart technikbegeistert wie ich.
Weil mein Mann eben mein Mann ist, konnte er sich schließlich darauf einlassen. Wir gestalteten es so, dass er beim ersten Mal später dazu kam. Damit war der Druck, 45 Minuten aushalten zu müssen, raus. Mit jeder Videoeinheit wurde er sicherer, bis es schließlich völlig selbstverständlich war, dass er an den Sitzungen teilnahm.
Dank meines Mannes erlebte unsere Logopädie einen großen Zugewinn, da ich ihm anschließend nicht mehr alles erklären musste. Er erhielt die Informationen und Aufgaben direkt. Dadurch konnten wir nach der Therapie gemeinsam alles Revue passieren lassen und an Ideen für die Umsetzung der Hausaufgaben arbeiten.